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Die
weitere Geschichte dieser Orgel Orgelarbeiten
zwischen 1642 und 1858 Im Dreißigjährigen
Krieg ist die Compenius-Orgel in Kroppenstedt anscheinend einigermaßen
heil geblieben. Die Orgel war aber gegen Ende des Krieges sehr verwahrlost
und wurde deshalb 1642 durch den Orgelbauer Christianus Förner
aus Goslar gründlich repariert und für 28 Taler wieder in
Stand gesetzt. (17)
Nachdem um 1750 eine notwendige Reparatur nicht zustande kam, bat 1774 der
Kroppenstedter Pfarrer Christoph Herman schriftlich den preußischen König,
den damaligen Landesherrn, um Unterstützung für eine dringend erforderliche
Reparatur. Er schrieb u. a.: "Die hiesige Kirchenorgel ist schon längst
im schlechten Stande gewesen, und vor mehr als 20 Jahren bey meinem antecepore
(Vorgänger) bereits an eine Reparatur gedacht, welche aber bey der Armuth
der Gemeinde und Schulden der Kirche unterbleiben müßen. Seit einiger
Zeit stehet sie gantz still, und kann gar nicht gebrauchet werden".
Der Schaden wurde nach Angabe des Orgelbauers Schlesinger aus Halberstadt,
der für eine Reparatur 100 Reichstaler veranschlagte, vom Pfarrer so dargestellt:
Das Rückpositiv kann gar nicht gebraucht werden; es muß die Lade
herabgenommen werden, und die "Fentile" sind neu zu beledern, so
dass das "Heulen ein Ende hat. Die Canäle, welche den Stand verlieren,
müssen feste gemacht werden. Übrings für alle vorfallende Dinge
steht der Orgelbauer".
Das königliche Konsistorium forderte aber, dass auch der Orgelbauer Johann
Christoph Wiedemann einen Anschlag erstellen sollte. Wiedemann schrieb nach
einer Untersuchung des Instruments: "Pfeiff-Werk in der ganzen Orgel ist
sehr schadhaft, theils fehlen welche, theils klingen sie gar nicht, besonders
die Rohrwerke sprechen gar nicht an. Die Pompesen in denen Windladen sind sehr
schadhaft, wodurch der Wind weg geht. In der Abstractur und Registratur findet
sich auch mancher Fehler. Bälge sind ganz ruiniert, die müssen ausgenommen
und ganz neu beledert werden, Pfeiffwerk auseinandergenommen von Staub und
Treck gereinigt."
Auf Verfügung des Konsistoriums führte 1774 Johann Christoph Wiedemann
auf Kosten der Kirchengemeinde die Reparatur der Orgel aus. (18)
1798 wird das Kroppenstedter Instrument als "gutes Orgelwerk mit einem
Rückpositiv und einem "Glockenspiel" bezeichnet.
Als 1834 einige Baumaßnahmen am Kirchengebäude in Kroppenstedt durchgeführt
wurden, geriet dabei die Orgel in Mitleidenschaft. Deshalb schrieb am 16. 3.
1836 der Kirchenvorstand an die Regierung in Magdeburg, dass "die hiesige
Kirchenorgel einer bedeutenden Reparatur bedarf, indem dieselbe durch die Länge
der Zeit als auch durch den im Jahre 1834 vollzogenen theilweisen Kirchenbau
sehr schadhaft geworden ist".
Die erforderliche Reparatur wurde 1836 durch den Orgelbauer Wilhelm Boden d.
J. aus Halberstadt durchgeführt, der möglicher Weise dabei die Orgel
auch umdisponiert hat. Er gab an, die Orgel besäße "1131 Stück
Pfeifen" in 20 Registern. Die damalige Klanggestalt wich aber von der
1613 gebauten Orgel folgendermaßen ab: Im Hauptwerk standen nun anstatt
zweier 2´-Stimmen zwei weitere Vierfuß-Register; im Rückpositiv
war die Quinte durch eine 2´-Stimme und das Regal 4´ durch ein
Regal 16´ ersetzt. Im Pedal war die Bauernflöte 1´entfallen.
Die von Wilhelm Boden 1836 aufgezeichnete Disposition in Kroppenstedt hatte
folgende Gestalt: Hauptwerk (spielbar
vom Oberklavier, Umfang: C,D,E - a2):
Prinzipal 8´
Gedackt 8
Oktave 4´
Gemshorn 4´
Quintatön 4´
Spitzflöte 4´
Quinte 3´
Oktave 2´
Mixtur 3-6fach Rückpositiv (spielbar
vom Unterklavier, Umfang: C,D,E - a2):
Quintadena 8´
Prinzipal 4´
Rohrflöte 4´
Gemshorn 2´
Gedackt 2´
Zimbel 3-fach
Trompete 8´
Rankett 8´
Pedal (Umfang: C, D, E. bis a1):
Subbass 16´
Spitzflöte 2´
Fagott 16´ Der Orgelbauer Wilhelm
Boden hatte auch in den folgenden Jahren die Kroppenstedter Orgel in
Pflege. Neubau durch
Adolf Reubke 1859 In der Mitte des 19.
Jahrhunderts war die Orgel in Kroppenstedt erneut reparaturbedürftig
geworden; man sprach sogar von ihrem "desolaten Zustand". Auf
Vorschlag des Magdeburger Orgelsachverständigen Musikdirektor August
Gottfried Ritter (1811-1885) sollte aber keine Reparatur sondern ein
Neubau durchgeführt werden, für den er eine Disposition vorlegte.
(19)
Dazu heißt es in Ritters Schreiben vom 16. 4. 1856: "Auch muss es
unter allen Umständen bei dem Neubau bewenden, da nach dem Ergebnis der
bereits stattgehabten Ermittlung die Kosten einer gründlichen Reparatur
denen eines Neubaus gleich kommen würden."
Ein weiterer Grund für den vorgeschlagenen Neubau war auch der, dass zu
Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Romantik ein Stilwandel eingetreten war;
dadurch hatte sich der künstlerische Geschmack hin zu dunkleren, "romantischen" Klängen
entwickelt, was auch in Kroppenstedt verwirklicht werden sollte.
Der Kirchenvorstand hatte wegen eines Orgelbaus zunächst mit dem Orgelbauer
Wilhelm Boden d. J. aus Halberstadt verhandelt, der seit 1836 die Orgel betreute.
Auf Ritters Vorschlag hin wandte sich Kroppenstedt jedoch an den Orgelbauer
Adolf Reubke aus Hausneindorf bei Quedlinburg. Wilhelm Boden beschwerte sich
daraufhin beim Kroppenstedter "Oberprediger" und schrieb unter anderem: "Daß der
Musicdirector Ritter so ungerecht gegen mich agirt hat ist zu beklagen. Ich
würde Ihnen ein schönes Werk gebaut haben. (...) Für die in
der langen Reihe von Jahren häufig gehabte Mühwaltung zur Erhaltung
des alten Werks außer der jährlichen Stimmung, wofür ich keine
Bezahlung beansprucht habe, bitte ich um gütige und gerechte Anerkennung".
Adolf Reubke legte am 10. Juni 1858 einen Kostenvoranschlag für einen
Neubau vor, der von der königlichen Regierung in Magdeburg, Abteilung
für die Kirchenverwaltung und das Schulwesen, auch genehmigt wurde. Das "Decret" der
Regierung vom 14. Oktober 1858 lautete: "Der Orgelbauer Boden ist mit
seinem Gesuche um Übertragung des Baues einer neuen Orgel für die
Kirche in Croppenstedt bereits zurückgewiesen worden, und es bewendet
sich bei der nun getroffenen Entscheidung, wonach der (...) Contract mit dem
Orgelbauer Reubcke anzuschließen ist".
So wurde nun ein Orgelbauvertrag zwischen Reubke und dem Kroppenstedter Stadrat
abgeschlossen. Darin findet sich u. a. folgender Passus des Orgelbauers: "Die
alten Holztheile werden zur Verwendung als Feuermaterial bei Aufstellung der
neuen Orgel verwendet, das übrig bleibende alte Metall wird (...) nach
Gewichtsprobe von mir angenommen".
Adolf Reubke erbaute 1858-59 eine Orgel in der Disposition von Gottfried Ritter
mit neuem Pfeifen- und Ladenwerk (Schleifladen) unter Verwendung einiger Compenius-Register
und des alten Prospekts. Die zahlreichen tiefen 16´- und 8´-Register
sind typisch für die damalige Zeit. Da in den unteren Oktaven der Compenius-Orgel
bei allen Registern Cis und Dis fehlten, mussten diese Pfeifen bei den übernommenen
Registern ergänzt werden. Die Klanggestalt
der Orgel von 1859: Hauptwerk (Umfang:
C, Cis - f3):
Bordun 16´ (neu, aus Eichen- und Birnbaumholz)
Prinzipal 8´ (neu, untere Oktave Holz, dann 10-lötiges Zinn)
Hohlflöte 8´ (neu, Tanne u. Birnbaum, tiefe Okt. mit Gedakt verbunden)
Gedackt 8´ (alt, Cis und Dis der unteren Okt. ergänzt)
Viola di Gamba 8´ (neu, 10-löt. Zinn, tiefe Okt. m. Prinzipal verb.)
Oktave 4´ (neu, Zinn)
Quinte 2 2/3´ (neu, Zinn)
Oktave 2´ (neu, Zinn)
Mixtur 5f. 2´ (neu, Zinn) II. Werk (Umfang: C,
Cis -f3):
Prinzipal 8´ (neu, untere Oktave Holz, dann 10-lötiges Zinn)
Gedackt 8´ (alte Quintadena, untere Oktave ergänzt)
Gemshorn 8´ (alt; untere Okt. neu)
Flauto traverso 8´ (neu,Holz; tiefe Okt. mit Gedakt verbunden)
Oktave 4´ (neu, 10-lötiges Zinn)
Rohrflöte 4´ (aus alten Pfeifenbeständen)
Spitzflöte 2´ (vermutl. altes Gemshorn, untere Okt. erg.) Pedal (C, Cis -d1):
Subbass 16´ (neu, aus Tannen- und Eichenholz)
Violenbass 16´ (neu, Holz)
Oktavbass 8´ (neu, Holz)
Posaune 16´ (neue Schallbecher von Holz, Zungen v. Messing)
Die Orgel war im "Kammerton" gleichstufig gestimmt, was nun ein Musizieren
mit anderen Instrumenten möglich machte. Die Traktur (Verbindung der Tasten
mit den Pfeifen) geschieht, typisch für Reubke, durch Rundstäbe:
Sie und die mechanischen Schleifladen wurden neu aus Eichenholz gebaut, der
Windkasten aus Tannenholz. Die Windlade des Hauptmanuals hatte "zwei Abtheilungen".
Die "Stöcke, Schleifen, Dämme, Spunde und Rahmen sind aus Eichenholz.
Ventile von gespaltenem Tannen-Holz zum Herausnehmen eingerichtet. Zugdrähte
von Stahldraht, in Messingplatten gehend. Federn von Messingdraht." Die
Manualklaviaturen waren mit Hirschbein und Ebenholz belegt.
Als Nebenzüge standen zur Verfügung: eine Manualkoppel "während
dem Spiel zum An- und Abziehen", eine Pedalkoppel "mit besonderen
Ventilen und Abstraktur", drei Sperrventile (sie sperrten die Luftzufuhr
zu bestimmten Windladen oder Windladenteilen, was eine Art von Registrierhilfe
war) und eine Kalkantenglocke (zum Informieren des Bälgetreters, wenn
Luft gebraucht wurde).
Reubke ließ die Empore vorbauen und verbreitern. Er verschob dann das
Hauptwerk nach vorne und verband es mit dem Rückpositiv, das er darunter
setzte. Das Orgelgehäuse änderte er folgendermaßen: Das Hauptwerk
wurde um vier Prospektfelder mit hölzernen Atrappenpfeifen (je zwei zu
beiden Seiten) erweitert, um genügend Einbauraum für das neue Pfeifenwerk
zu erhalten, da die zahlreichen 8´-Register mehr Platz brauchten. Deshalb
wurde die Spielanlage nun rechts an der Seite des Hauptgehäuses (vom Kirchenschiff
aus gesehen) angebaut. Die alten Prospektpfeifen des Rückpositivs blieben
stumm. (20) Umdisponierung
durch Wilhelm Sohnle 1957/58 Erneute Bauarbeiten
am Kirchenschiff in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts machten
den Abbau der Orgel notwendig. Am 4. Oktober 1882 schrieb Pastor Evers
aus Kroppenstedt an Baurat Nünneke in Halberstadt: "Euer Hochwohlgeboren
erlaube ich mir ergebenst anzuzeigen, daß der Bau des Mittelschiffes
unserer Kirche in den nächsten Tagen an der Stelle, wo die Orgel
gestanden, voraussichtlich soweit vorgerückt sein wird, daß mit
dem Wiederaufstellen der Orgel begonnen werden kann (...) und erlaube
mir nur noch ergebenst zu bemerken, daß der Abbruch der Orgel von
dem Orgelbaumeister Boden zu Halberstadt besorgt worden ist". Boden
stellte dann die Orgel für 1035,60 Mark wieder auf.
Aus Kriegsgründen mussten 1917 zahlreiche Prospektpfeifen aus Zinn mit
einem Geamtgewicht von 12,2 Kilogramm abgeliefert werden; als Entschädigung
erhielt die Gemeinde Kroppenstedt dafür 768,60 Mark. Die seitdem leer
stehenden Prospektfelder wurden mit rotem Tuch verhängt.
Ein Stilwandel im 20. Jahrhundert führte vielerorts dazu, dass Orgeln
umgebaut wurden. Denn die Orgeln der Romantik mit ihrem dunklen, grundtönigen
Klang wurden damals weitgehend abgelehnt, und Orgelexperten bevorzugten nun
Instrumente mit barock-ähnlichen hellen Registern.
So wurde 1957/58 auch die Klanggestalt der Kroppenstedter Orgel von Orgelbauer
Wilhelm Sohnle aus Halberstadt durch Einbau neuer hoher Register anstelle von
16´- und 8´-Registern "barockisiert" und "aufgehellt" (21).
Die verbliebenen Register wurden gereinigt und neu intoniert, die Holzteile
gegen Wurmbefall imprägniert und die Spielanlage technisch überholt.
Dabei wurde die "zähe Spielart" der von Reubke seitlich angelegten
Klaviaturen durch Befilzung und andere Maßnahmen verbessert und eine
neue Pedalklaviatur eingebaut. Der Orgelrevisor Willi Strube, Magdeburg, prüfte
die Orgelarbeiten Sohnles und fand die Arbeiten gut gelungen.
Auch Strube übernahm die Meinung Schneiders, die alten Register stammten
aus der Magdeburger Domorgel, der aber Mads Kjersgaard und Stefan Nusser widersprochen
haben.
Im Abnahmegutachten gibt Strube die Disposition von 1958 an, die noch heute
besteht: Hauptwerk (Umfang C-f3):
Pommer 16´ (Reubkes Bordun, umintoniert)
Prinzipal 8´ (von Reubke)
Gedackt 8´ (alt)
Holzflöte 8´ (von Reubke)
Oktave 4´ (Reubke)
Spitzflöte 4´ (neu)
Nasat 2 2/3´ (neu)
Oktave 2´ (Reubke)
Mixtur 4-5fach 1 1/3´ (neu)
II. Manualwerk (Umfang C-f3):
Singend Gedackt 8´ (alte Quintadena 8´)
Salizional 8´ (von Röver)
Prinzipal 4´ (von Reubke)
Rohrflöte 4´ (alt)
Spitzflöte 2´ (alt)
Terzian 1 3/5 + 1 1/3´, ab 2. Okt. Sesquialter 2 2/3 + 1 3/5 (neu)
Cymbel 2/3´ 3fach (neu)
Pedal (Umfang C-d1):
Subbass 16´ (Reubke)
Violon 16´ (Reubke)
Prinzipalbass 8´ (Reubke)
Choralbaß 4 + 2´ (neu)
Nebenzüge: Manualkoppel, Pedalkoppel. 3 Sperrventile.
Aus dem
Buch "Die Compenius-Orgel zu Kroppenstedt" von
Gottfried Rehm
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