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Über
die Orgelbauerfamilien Compenius Der mitteldeutsche
Orgelbau setzte im 16. Jahrhundert mit den Arbeiten der Orgelbauer
Esaias und David Beck ein, die zwischen 1563 und 1601 gewirkt haben.
David Beck hat unter anderen Orten auch in Halberstadt (St. Martini)
und 1592-96 in der Schlosskirche zu Gröningen Orgeln gebaut.
Die Gröninger Schlossorgel hatte 59 Register in drei Manualwerken
und Pedal. Unter den Prüfern dieses Instruments befand sich
auch Heinrich Compenius der Ältere. David Becks frühbarocke
Bautendenzen wurden von den Orgelbauern Compenius weitgehend übernommen.
Die Mitglieder der Orgelbauerfamilien Compenius (23) gehören zu den bedeutenten
Vertretern der Orgelbaukunst. Uns sind 14 Orgelbauer namens Compenius bekannt.
Die Familie stammt ursprünglich angeblich aus Hessen. Ihre Mitglieder
haben im 16. und 17. Jahrhundert in Mitteldeutschland und Franken gewirkt.
Wahrscheinlich hieß die Familie ursprünglich Kompen, Kumpen oder ähnlich,
die ihren Namen nach der Sitte der Renaissance zu Compenius latinisiert hatte.
Manchmal tauchen auch Namensvarianten wie Cumpenius, Compenig oder andere Formen
auf. Auch "unser" Esaias unterschrieb gelegentlich so.
Der "Stammvater" dieser Orgelbauersippe war Heinrich Compenius der Ältere.
Sehr wahrscheinlich war Timotheus Compenius sein Bruder, der anscheinend keine
Orgelbauer unter seinen Nachkommen hatte.
Die Söhne Heinrichs des Älteren waren Esaias der Ältere und
Heinrich der Jüngere.
Von Heinrich dem Jüngeren wurden drei Söhne Orgelbauer: Esaias der
Jüngere, Johann-Heinrich und Ludwig.
Esaias der Ältere hatte einen Sohn, Adolph, und einen Enkel, Peter Lorenz,
die ebenfalls Orgelbauer wurden. Hier eine Übersicht über diese Sippe: Heinrich der Ältere
---- Timotheus
/ \
Heinrich d. J. Esaias d. Ä.
/ I \ I
Esaias d. J. Joh.-Heinrich Ludwig Adolph
I I
4 Söhne Peter Lorenz
Heinrich Compenius d. Ä. und sein
Bruder Timotheus
Heinrich Compenius der Ältere wurde um 1525 in Nordhausen geboren und
lebte und arbeitete in Eisleben, Erfurt und Nordhausen als Orgelbauer und Organist.
Er ist um 1546 in Eisleben nachweisbar: Bei der Totenfeier für Martin
Luther 1546 war er dort als Organist beteiligt.
Er und sein Sohn Esaias d. Ä. haben eine Zeitlang zusammen gearbeitet,
obwohl beide sich nicht gut verstanden; denn Heinrich hielt an der alten Springlade
fest, während der begabtere Sohn die Schleiflade bevorzugte. Heinrich
hat 1567 ein musikalisches Traktat "Musica Teusch" mit "kurzen
Regulas" verfasst. 1572 hat er für die Ratswahl in Erfurt eine Kantate
komponiert. Als Orgelbauer treffen wir ihn 1579 in der Predigerkirche zu Erfurt;
von dieser Orgel, seinem größten Werk, sind keine Akten erhalten,
deshalb wissen wir darüber kaum etwas. 1580-82 baute er in Cönnern
eine Orgel mit 16 Stimmen; 1589 reparierte er die Orgel in Hettstedt.
1588-90 folgte der Bau der Domorgel in Fritzlar mit 30 Registern; als Zahlung
erhielt er dafür 625 Thaler und die alte Orgel. Am 2. 5. 1611 ist Heinrich
in Nordhausen gestorben. (24)
Wahrscheinlich ein Bruder Heinrichs des Älteren war Timotheus Compenius,
dessen Geburts- und Todesdaten nicht bekannt sind. 1607 ist er bereits gestorben.
Er lebte und wirkte in Franken, zunächst in Königsberg bei Coburg.
Anscheinend ist er in der Reformationszeit katholisch geblieben. 1588 wird
er als Orgelbauer und Organist in Staffelstein erwähnt. Er arbeitete beim
Orgelbau seines Bruders 1590 in Fritzlar mit; weitere Orgelarbeiten in Kulmbach,
Staffelstein (Reparatur 1593), Eggolfsheim (Orgelneubau 1594), Creußen
(1597 Neubau), Bayreuth (1597 Neubau in der Stadtkirche und 1599 Neubau im
Spital), Würzburg (1602 Reparatur) und in Hof (1605-07 Neubau mit 20 Registern
in der St.-Michaelskirche). Timotheus Compenius hat auch eine Anweisung zum
Registrieren verfasst. Heinrich
Compenius d. J., seine Söhne und Enkel
Heinrich Compenius der Jüngere, der Bruder von Esaias dem Älteren,
wurde um 1565 als Sohn von Heinrich Compenius dem Älteren in Eisleben
geboren. Er lebte einige Jahren in Nordhausen, kehrte 1595 in seinen Geburtsort
Eisleben zurück, wo er am 14. September 1595 Johanna Sara Wienicken heiratete.
Seit 1597 finden wir ihn als Bürger und Orgelbauer in Halle.
Sein größtes Werk erbaute er als Churfürstlich-Erzbischöflicher
Orgelbauer 1604/05 im Dom zu Magdeburg mit 45 Registern. Diese Orgel, die als
sein bedeutendstes Werk galt, erlebte im Laufe der Zeit viele Veränderungen
und wurde 1945 durch Bomben zerstört.
Ein größeres Werk war auch seine 1610 erbaute Orgel in der lutherischen
Klosterkirche Riddagshausen bei Braunschweig: Sie hatte 31 Register in Hauptwerk,
Brustwerk, Rückpositiv und Pedal mit Koppeln zum Rückpositiv und
Pedal. 1612 erbaute er die Orgel in der St.-Georgenkirche zu Glauchau bei Halle.
1616 führte er eine Orgel-Reparatur im Merseburger Dom aus. 1617 finden
wir ihn als Orgelbauer in Makranstädt bei Leipzig. 1627 reparierte er
die Pauliner-Orgel in Leipzig. 1627 erbaute er die Orgel der Ägidienkirche
in Oschatz und 1630 die kleine Orgel der Leipziger Thomaskirche. Er starb am
22. September 1631 in Halle.
Drei Söhne Heinrichs des Jüngeren wurden als Orgelbauer bekannt:
Johann Heinrich Compenius wurde ca. 1597 in Halle geboren. Er baute neben anderen
1625 die Orgel von St. Moritz in Halle, die von Samuel Scheidt begutachtet
wurde. Er starb am 11. 12. 1642 in Halle.
Esaias Compenius der Jüngere, der oft mit seinem Onkel Esaias dem Älteren
verwechstelt wird, wurde um 1600 in Halle geboren. 1627 arbeitete mit seinem
Vater an der Pauliner-Orgel in Leipzig; 1634 führte er eine Reparatur
in Eisleben (St. Andreas) aus. Sein Todesdatum ist nicht bekannt.
Ludwig Compenius wurde um 1603 in Halle geboren, und war wohl der begabteste
Sohn Heinrichs des Jüngeren. Er war angestellter Orgelbauer des Domkapitels
Naumburg, wo er wahrscheinlich 1632 ansässig wurde. Nach 1647 ist er als
Bürger in Erfurt nachweisbar. Er baute 1646/47 die Orgel in Gera (St.
Johannes), 1647-1649 die Orgel der Predigerkirche in Erfurt, deren Prospekt
erhalten ist, 1655/56 die Orgel der Brüderkirche in Altenburg, 1657 die
Schlossorgel in Weimar und 1662-64 die Orgel der Unterneustädter Kirche
in Kassel. Die Orgeln der Brüder- und Martinskirche in Kassel renovierte
er 1664 "zu vollster Zufriedenheit". Für die Thomaskirche in
Leipzig baute Ludwig Compenius 1670 ein Cembalo.
In seinen Orgeln finden wir häufig das Terzregister Sesquialtera. Seine
Orgel für die Weimarer Schlosskirche von 1657 besaß "Subsemitonien",
also geteilte Tasten und doppelte Pfeifen für as / gis und es / dis. Gestorben
ist er am 11. Februar 1671 in Erfurt. Auf seiner Orgel in Erfurt hat Johann
Pachelbel gespielt, und an der Schlossorgel in Weimar war Johann Sebastian
von 1708 bis 1717 Organist.
Ludwig Compenius hatte vier Söhne. Einer von ihnen, Christoph Compenius,
um 1625 in Halle geboren, war Hofmusiker und später Hofkantor in Weimar. Über
die anderen Söhne ist wenig bekannt: Anton Joachim Compenius kam um 1632
zur Welt, Johann Gottfried Compenius wurde 1648 in Erfurt geboren und starb
dort 1667, und Heinrich Rudolph Compenius, 1650 geboren, starb 1655 in Erfurt. Esaias
Compenius d. Ä. und Sohn und Enkel
Esaias Compenius der Ältere, "unser Compenius", der Erbauer
der Kroppenstedter Orgel, wurde um 1560 in Eisleben geboren und ist 1617 in
Frederiksborg gestorben. Er war zunächst Lehrling und Mitarbeiter in der
Werkstatt seines Vaters Heinrich Compenius d. Ä.
Thekla Schneider schreibt über ihn: "Schon früh zeigte sich
bei ihm eine ganz besondere Begabung für den Orgelbau, so daß er
bald seinen Vater an Können übertraf. Vor allem zeichnete er sich
durch eine geniale Erfindungsgabe aus, die ihn später befähigte,
die Orgel mit neuen Klangfarben auszustatten und allerlei Verbesserungen, z.
B. an der Windzufuhr, vorzunehmen".
Vater und Sohn arbeiten 1589 in Hettstedt, wo sie das Oberwerk ausbesserten
und ein neues Rückpositiv bauten. Wie erwähnt, gab es damals zwischen
ihnen Auseinandersetzungen wegen der Frage des Ladentyps, so dass der Vater
sich von dieser Arbeit zurückzog.
Esaias machte sich deshalb 1589 in Magdeburg selbständig. Dank seiner
umfassenden Kenntnisse und Fähigkeiten gelang es ihm, sich bald einen
bedeutenden Namen zu schaffen und Aufträge für größere
Orgelbauten zu erhalten, u. a. wahrscheinlich auch für die Katharinenorgel
in Magdeburg, deren Plan bei Praetorius angeführt ist. Auch in Magdeburg-Sudenburg
hat er an einem größeren Orgelwerk gearbeitet.
Esaias Compenius bemühte sich 1602 um den Reparatur-Auftrag für das "große
Orgelwerk auf Hauß Gröningen", dem Sommerresidenz der Halberstädter
Bischöfe. Nachdem er vom Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel
und Bischof von Halberstadt, zunächst vertröstet worden war, erhielt
er 1603 auf Fürsprache des Domkapitel-Seniors Georg von der Schulenburg
den Auftrag zur Reparatur dieser Orgel.
Zwischen 1603 und 1613 arbeitete Esaias am Bau einer neuen Orgel in Kroppenstedt.
Er unterbrach diese Tätigkeit jedoch 1605, als er von Heinrich Julius
zum Orgelbau für Schloss Hessen bei Wolfenbüttel berufen wurde, wo
er bis 1610 arbeitete. Compenius wurde dafür zum Organist und "Fürstlichen
Orgel- und Instrumentenmacher" ernannt. Verständlicherweise führte
das zu erheblichen Konflikten mit dem Kroppenstedter Stadtrat. Nach Fertigstellung
der Orgel auf Schloss Hessen kehrte Esaias 1610 nach Magdeburg zurück
und vollendete 1612 -1613 die Orgel in Kroppenstedt.
Esaias Compenius war mit Michael Praetorius befreundet, der ihn wegen seiner
umfangreichen Kenntnisse sehr schätzte. Esaias half ihm während seiner
Tätigkeit für Schoss Hessen bei der Abfassung der "Organographia".
Praetorius wiederum regte Compenius an, seine Gedanken über den Orgelbau
1615/16 schriftlich niederzulegen unter dem Titel "Orgeln Verdingnis,
Bau und Liefferung sowohl in neuer Verfertigung als revision alter Orgeln".
Praetorius hat dieses Traktat nach dem Tode des Compenius etwa 1619 vollendet,
mit einer Einleitung versehen und herausgegeben. (25)
1615 erfolgte der Bau seines größtes Werkes: Für den Grafen
Ernst von Bückeburg-Holstein baute Esaias Compenius die große Stadtkirchenorgel
in Bückeburg. Die Orgel musste sich dem prunkvollen Inneren anpassen und
dementsprechend ein kostbares Gehäuse und ein Pfeifenwerk von besonderer
Klangschönheit und Tonfülle erhalten.
Das Instrument hatte 48 Register in drei Manualwerken und Pedal: Im Hauptwerk
(Oberwerk) standen 12 Labialstimmen, nämlich zwei 16´-, vier 8´-,
drei 4´, ein 3´-, ein 2´-Register und die vierchörige
Mixtur.
Im Brustwerk waren 8 Stimmen vorhanden, nämlich ein 8´-, zwei 4´-,
ein 2´-, ein 1 1/3´-Register und eine zweichörige Zimbel,
dazu kamen die beiden Zungenregister Regal 8´ und Geigend Regal 4´.
Das Rückpositiv besaß 12 Stimmen: drei zu 8´, drei zu 4´,
zwei zu 2´, eine zu 1´ und die dreichörige Klingend Zimbel;
dazu die Zungenstimmen Rankett 16´und Krummhorn 8´.
Das Pedal führte 16 Register: eines zu 32´, drei zu 16´, vier
zu 8´, zwei zu 4´, eines zu 2´, eines zu 1´, einen
dreichörigen Zimbelbass und einen Cornettbass zu 2´; dazu Posaune
16´, Sordun 16´, Trompete 8´ und Dulzian 8´.
Die Orgel hatte eine Koppel "zum Oberwerk und Brust-Clavir", ferner
drei Tremulanten: im Oberwerk, im Rückpostiv und im Pedal.
Nach Angabe von Michael Praetorius besaß das Bückeburger Instrument "Subsemitonien",
also geteilte Tasten und doppelte Pfeifen: in der unteren Oktave des Manuals
für Gis / As, dann in den weiteren Oktaven (bis f3) für dis / es
und gis / as.
Das Pedal besaß in der unteren Oktave die Untertasten C F G A H, und
als Obertasten die geteilten D / Fis und E / Gis, dazu B; im oberen Teil (bis
e1) die geteilten Tasten dis / es und gis / as. (26)
Das weitere Schicksal der Compenius-Orgel von Schloss Hessen: Sie wurde, wie
erwähnt, nach dem Tod des Herzogs Heinrich Julius im Jahre 1613 von der
Herzogs-Witwe an ihren Bruder, den dänischen König Christian IV,
verschenkt. Dafür baute Compenius 1616 das Werk in Hessen ab, leitete
die Überführung nach Dänemark und stellte es in der Schlosskirche
zu Frederiksborg bei Kopenhagen wieder auf. Bei der Aufstellung und Stimmung
dieser Orgel erkrankte Compenius. Er starb 1617 in Frederiksborg und wurde
dort begraben.
Esaias Compenius war verheiratet. 1603 besuchte ihn seine Frau in Kroppenstedt.
Bereits 1609 war er Witwer, was wir aus seinem Brief vom 22. März 1609
erfahren, in dem er aus Wolfenbüttel an den Rat der Stadt Kroppenstedt
schreibt, dass er " im Witwen stande" lebe.
Aus ihrer Ehe ist der Sohn Adolph Compenius (*etwa 1585) als Orgelbauer bekannt
geworden. Adolph arbeitete zunächst in der Werkstatt seines Vaters und
war bei mehreren Orgelbauten beteiligt. Er war ein vielseitiger Handwerker
und tüchtiger Musiker. Adolph ist um 1606 in Magdeburg nachweisbar. 1620
baute er eine Orgel für die Hofkapelle in Bückeburg. 1626 finden
wir ihn als Orgelbauer und Organist an der Ägidienkirche in Hannover.
In Rinteln hatte er eine Zeitlang eine eigene Werkstatt. Er starb 1650 in Hannover.
Adolphs Söhne, Enkel des Esaias d. Ä., waren Peter Lorenz Compenius
(1628 bis 1653) und ein jüngerer Sohn unbekannten Namens (1634-1641).
Da Peter Lorenz jung starb, ist über ihn kaum etwas bekannt. Aus
dem Buch "Die Compenius-Orgel zu Kroppenstedt" von
Gottfried Rehm
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