Die
Compenius-Orgel
von Schloss Hessen bzw. Frederiksborg
Die Orgel in Frederiksborg bei Kopenhagen, die ursprünglich für
Schloss Hessen (südlich von Wolfenbüttel) erbaut wurde, ist das
einzig erhaltene Instrument von Esaias Compenius d. Ä. Da diese Orgel überdies
sehr beachtlich ist, sei hier näher darauf eingegangen.
Esaias Compenius d. Ä. hat diese Orgel ím Auftrag des Herzogs
Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel zwischen 1605 und 1610
erbaut. Für die Zeit dieses Orgelbaus ließ Compenius die Orgelarbeiten
in Kroppenstedt ruhen; denn der Auftrag des Herzogs war für ihn
vorrangig.
Eine lateinische Inschrift in der Orgel nennt das Datum der Fertigstellung: "Ao
1610 den 7 fbris E. C. fecit" (Im Jahre 1610, am 7. Februar, hat Esaias
Compenius sie vollendet). Michael Praetorius gibt fälschlich 1612
als Jahr der Fertigstellung an. |
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Die
Orgel befand sich nur eine kurze Zeit auf Schloss Hessen. Nach
dem Tode des Herzogs 1613 schenkte seine Witwe dieses Instrument
im Jahre 1616 ihrem Bruder, dem dänischen König Christian.
Compenius selbst hat die Orgel in Hessen abgebaut, den Transport überwacht
und die Orgel in der Frederiksborger Schlosskirche auf der Galerie über
dem Altar wieder aufgestellt. (22)
Über diese Orgel schreibt Michael Praetorius in seiner Organographia: "Zu
Hessen uffm Schlosse. Das höltzern / aber doch sehr herrliche Orgelwerck
so von M(eister) Esaia Compenio An(no) 1612 gemacht. Jetzo aber de(m) König
in Dennemarck verehret / und Anno 1616 doselbsten zu Friederichsburg in der Kirchen
gesetzt worden / ist stark von 27 Stimmen / Coppel zu beydn Manualn. Tremulant.
Grosser Bock. Sackpfeife. Klein(?t)hümlichen". Michael Praetorius
gibt folgende Dispisition an:
Im obern
Manual (9 Stimmen)
1. Principal 8 fuß
2. KleinPrinzipal von Elffenbein und Ebenholz 4
3. Gedactflöte 8
4. Gemßhorn oder klein Violn 4
5. Nachthorn 4
6. Blockpfeiffen 4
7. GedacktQuint 3
8. Supergedackfloitlin 2
9. Rancket 16
Im Unter
Manual an statt des Positiffs (9 Stimmen)
1. Quintadehna 8 fuß
2. Klein Gedactflötte 4
3. Super Gemßhörnlein 2
4. Nasatt anderthalb
5. Klein repetirt Zimbel einfach
6. Principal Discant 4
7. Blockpfeiffen Discant 4
8. Krumbhorn 8
9. Geigend Regal 4
Im Pedal
(9 Stimmen)
1. Grosser GedactflötenBass 16 Fuß
2. GemßhornB. 8
3. QuintadeenB. 8
4. QuerflöttenB. 4
5. NachthornB. 2
6. BawrflöttenBäßlein 1
7. SordunenB. 6
8. DolcianB. 8
9. JungfrawenRegalBaß
In der Disposition
sind einige Klangeffekte enthalten: der "große Bock" (ein
stark wirkender Tremulant), "Sackpfeife" (ein fortdauernder
Basston) und das "KleinHümlichen" (Hümmelchen,
das ein tiefes Brummen erzeugt). Als Spielhilfen finden wir Manualkoppel
und Tremulant.
Thekla Schneider schreibt über die Klanggestalt: "Zwei gegensätzliche
Gruppen von Registern sind in dieser Disposition enthalten, der Chor
der weitmensurierten, füllebetonenden (weiblichen) Pfeifenreihen
(Hohlflöten, Nachthörner) und der Chor der engmensurierten
schärfebetonenden (männlichen) Register (Prinzipale, Gemshörner).
Hierzu treten die Schnarrwerke (Zungenregister)".
Der Manualumfang reicht von C bis c3, der Pedalumfang bis d1, allerdings
mit "kurzer Oktave", das heißt: ohne Cis und Dis im Pedal.
Die Orgel besitzt Schleifladen. Die Pfeifen des Oberwerks stehen auf
einer Lade hinter dem Prospekt; im Unterteil der Orgel finden sich zwei
weitere Laden für das II. Manualwerk und das Pedal.
Alle Pfeifen sind aus Holz: aus Eiche, Ahorn, Birne, Nuss und Ebenholz.
Die Pfeifen sind mitteltönig gestimmt, das heißt, es kann
nur in acht Tonarten musiziert werden, die aber weitgehend naturreine
Großterzen besitzen. Jede Tonart hat deshalb eine eigene klangliche
Charakteristik. In vier Tonarten (über H, Fis, Cis und Gis) sind
die Terzen jedoch wegen der mitteltönigen Stimmung zu groß,
also unbrauchbar. Auf dieser Orgel sind Kompositionen aus der Renaissance
und dem Frühbarock besonders gut zu interpretieren.
Vier Keilbälge hinter der Orgel, zwei für die Manualwerke und
zwei für das Pedal, sorgen für die notwendige Luft. Sie werden
auch heute noch von Kalkanten (Bälgetretern) bedient. Der Spieltisch
hat weiße Unter- und schwarze Obertasten; die Registerzüge
und Koppeln sind als silberne Menschen- und Löwenköpfe geformt.
Die Pedaltasten liegen in einem Rahmen, der in das Gehäuse eingeschoben
werden kann.
Die äußere Gestalt ist als Renaissance-Schrank mit Seitentüren
gearbeitet und ungewöhnlich reich mit Holzschnitzereien verziert. Über
den Pfeifen schweben geschnitzte Putten und mythologische Figuren. Die
künstlerischen Bildschnitzer-Arbeiten stammen von Hermann van de
Velde.
Die ungewöhnliche Form dieser Orgel erklärt ein Zettel, der
1692 in ihrem Innern gefunden wurde, auf dem es heißt: Als Erfindung
des Herzogs "und von ihm bekostet" ist diese Orgel unter der
Anleitung von Michael Praetorius und durch die Kunst und Arbeit von Esaias
Compenius ausgeführt worden.
Die Stimmtonhöhe im "Chorton" liegt etwa einen halben
Ton höher als die heutige allgemeine Stimmungshöhe. (Früher
stimmte man die Orgeln im "Chorton", der meistens einen Ganzton über
dem damaligen "Kammerton" lag. In manchen damaligen Orgeln,
jedoch nicht in der von Frederiksborg, gab es aber ein zusätzliches
Register im "Kammerton", mit dem man andere Instrumente begleiten
konnte, was mit den Chorton-Registern nicht möglich war.)
1693 wurde die Orgel von der Schlosskirche Frederiksborg in den Rittersaal
verlegt, und 1793 in das Schloss von Kopenhagen versetzt, wo sie ungenutzt
stand. Sie entging so 1859 einem großen Brand in Frederiksborg.
Nach dem Neubau des Frederiksborger Schlosses kam die Orgel 1868 wieder
an ihren ursprünglichen Platz in der dortigen Schlosskirche zurück.
Es sei noch angemerkt, dass auf der deutschen Orgeltagung 1926 in Freiburg
im Breisgau der Orgelstandort "Schloss Hessen" mit dem Land
Hessen verwechselt wurde; man nahm also damals fälschlich an, dass
diese Orgel in Kassel gestanden habe. Deshalb wurde damals auch fälschlich
behauptet, Heinrich Schütz habe als Kasseler Organist diese Orgel
gespielt.
Aus
dem Buch "Die Compenius-Orgel zu Kroppenstedt" von
Gottfried Rehm |